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Erinnern für die Zukunft: Bildungsministerin Hubig stellt gemeinsam mit Zeitzeuginnen, Regisseur und Autor neue Filme zur NS-Zeit vor.

Demokratiebildung und Gedenkarbeit ist dabei, dass alle Schülerinnen und Schüler in Rheinland-Pfalz mindestens einmal während ihrer Schullaufbahn in Kontakt mit Zeit-zeuginnen und Zeitzeugen zur NS-Zeit kommen oder sich mit Zeitzeugenarbeit be-schäftigen sollen. Noch können uns die Zeitzeuginnen und Zeitzeugen der 1. Generati-on vom Holocaust selbst berichten. Und diese Eindrücke sind unglaublich wertvoll – davon berichten mir die Schülerinnen und Schüler häufig im Nachgang. Wir müssen deshalb dafür sorgen, dass diese Geschichten und Erlebnisse auch für die folgenden Generationen bewahrt werden. Deshalb freue ich mich heute ganz besonders, zwei wirklich hervorragende Filme gemeinsam mit den Mitwirkenden vorstellen zu können“, sagte Bildungsministerin Dr. Stefanie Hubig im Kloster Jakobsberg in Ockenheim.

Dort wurden, im Rahmen der einwöchigen Veranstaltung „Fragt uns, wir sind die letzten... Erinnern für die Zukunft“ des Bistums Mainz und des Maximilian-Kolbe-Werks, am Dienstagvormittag die beiden Filme über Henriette Kretz und Niusia Horowitz-Karakulska präsentiert, die gemeinsam mit dem Bildungsministerium entstanden sind. Während dieser Woche begegnen Schülerinnen und Schüler verschiedener Schulen jeden Vormittag Zeitzeuginnen und Zeitzeugen und tauschen sich mit ihnen aus.

Henriette Kretz, die sich seit vielen Jahren in der Zeitzeugenarbeit engagiert und ihre Geschichte Schülerinnen und Schülern schildert, erklärte: „Ich bin in der Ukraine geboren. Das, was dort heute passiert, macht mich fassungslos. Ich hätte mir nicht vorstellen können, dass das nach dem 2. Weltkrieg noch einmal möglich sein würde. Unsere Arbeit ist deshalb so wichtig: Denn wir Zeitzeuginnen und Zeitzeugen erzählen unsere Geschichte, damit Kinder und Jugendliche wissen, dass Diktatur und Extremismus immer nur zu Krieg und Zerstörung führen. Damit sie selbst für ihre Zukunft einen besseren Weg wählen können. Das ist meine Hoffnung.“

Niusia Horowitz, die dank Oskar Schindler den Holocaust überlebte, übermittelte vorab schriftlich ihre Gedanken: „Ich fühle mich sehr geehrt, dass es das Buch von Reiner Engelmann und den Film über mich und meine Erlebnisse aus der Okkupationszeit gibt. So können sich viele Menschen, weit hinaus über meine persönliche Begegnung mit ihnen, ein Bild über die Leiden in dieser Zeit machen. Ich freue mich darüber, wenn das Buch im Herbst auch in polnischer Sprache erscheinen wird, damit es auch in meinem Land gelesen werden kann – und ich selbst kann es dann auch lesen, weil ich der deutschen Sprache nicht mächtig bin.“

Nachdem die Trailer zu beiden Filmen eingespielt wurden, erklärten Autor Rainer Engelmann sowie Filmemacher Edmund Bohr, wie es zu dem Projekt kam und was die Zusammenarbeit besonders gemacht hat. „Schon seit vielen Jahren steht die Erinnerungskultur im Fokus meiner Arbeit. Während meiner Besuche der Gedenkstätte Auschwitz bin ich vielen Zeitzeuginnen und Zeitzeugen begegnet, habe mir ihre Geschichten angehört und sie aufgeschrieben. Es ist wichtig, dass wir uns an ihre Erfahrungen erinnern, um auf dieser Grundlage unsere Zukunft zu gestalten. Bücher, wie ich sie geschrieben habe, sind eine Möglichkeit, an diese Menschen und die Zeit zu erinnern. Eine weitere Möglichkeit sind natürlich Filmaufnahmen und ich bin froh darüber, dass der Filmemacher und Regisseur Edmund Bohr Kontakt zu mir aufgenommen hat und wir gemeinsam überlegt haben, wie wir mithilfe von Filmen einen weiteren wichtigen Baustein für die Erinnerungsarbeit beitragen können. Nicht nur sein Umgang mit der Kamera, sondern auch sein fundiertes historisches Wissen führten zu einer konstruktiven Zusammenarbeit, die ich gerne mit ihm fortsetzen möchte. Filme und Bücher sind Medien, die sich hier wunderbar ergänzen. Der Film gibt den Zeitzeuginnen ein Gesicht und eine Stimme, das Buch erzählt detailreicher ihre Geschichten“, sagte Reiner Engelmann.

Edmund Bohr hob auch die Zusammenarbeit mit den beiden Lehrerinnen hervor, die das Begleitmaterial für den Einsatz der Filme im Unterricht konzipiert haben: „Die Zusammenarbeit mit Dr. Bernadette Speckmann und Ilse Korbach war besonders wertvoll. Auch die Zusammenarbeit mit dem Ministerium war von Anfang an sehr intensiv, respektvoll und hat sehr viel Spaß gemacht. Besonders war auch die Umsetzung zwischen einer klassischen Dokumentation und einem Schülerfilm. Wir haben durch die intensive Erzählung eine extreme Nähe zu Henriette Kretz und Niusia Horowitz geschaffen. Denn in beiden Filmen wird keine einzige Frage gestellt. Und wir haben durch die Aufteilung der Filme eine chronologische Interaktion aufgebaut.“

Während der Vorstellung der Filme kamen ebenfalls Schülerinnen der elften Jahrgangsstufe der Maria Ward-Schule Mainz zu Wort, die aus ihrer Perspektive noch einmal verdeutlichten, wie sie das Zusammentreffen mit den Menschen empfinden, die die Greuel der NS-Zeit noch selbst erlebt haben. Soraya Banerjee betonte: „In einem Schulbuch über den Krieg und dessen Folgen zu lesen ist nämlich noch einmal anders als von einer tatsächlich überlebenden Person zu hören. Außerdem entsteht so die Möglichkeit, das Andenken an die Stärke einer gesamten überlebenden Generation weiter bestehen zu lassen.“ Ihre Mitschülerin Ine Hammer ergänzte: „Wir sind sehr dankbar, dass wir die Möglichkeit und das Privileg haben, mit Personen, die teilweise noch die Herrschaft der Nazis miterlebt haben, über einen so gravierenden Teil der deutschen Geschichte sprechen zu können.“

„Wir dürfen das, was damals geschehen ist, niemals vergessen. Das Lesen und Lernen aus Geschichtsbüchern sind dabei das eine, der unmittelbare Kontakt und das Erleben, wenn Menschen über diese Zeit erzählen, sind bewegende und ganz wichtige Eindrücke für unsere Schülerinnen und Schüler, für uns alle. Zur rheinland-pfälzischen Demokratiebildung gehört unter anderem auch, dass alle angehenden Lehrkräfte während ihrer Ausbildung verpflichtend eine Gedenkstätte besucht haben und sich mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen auseinandergesetzt haben müssen“, sagte Bildungsministerin Stefanie Hubig und betonte abschließend: „Nicht nur vor diesem Hintergrund sind die heute vorgestellten Filme wertvolle Dokumentationen der Geschichte. Ich bedanke mich deshalb sehr herzlich bei Frau Kretz und Frau Horowitz-Karakulska, denn ohne die Beiden wären sie nicht zustande gekommen. Und ein großes Dankeschön gilt natürlich auch Herrn Bohr und Herrn Engelmann, die dieses Projekt mit großem Engagement, Empathie und Feingefühl vorangetrieben haben“, so Ministerin Hubig abschließend.

 

 

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