Dazu das Bildungsministerium: „Die Pressestelle hat sich umgehend bei der Expertin und den Experten entschuldigt, soweit sich Sachverständige falsch zitiert gesehen haben, und dies korrigiert. Ebenso hat die Bildungsministerin in der gestrigen Sitzung des Bildungsausschusses deutlich gemacht, dass dieses Vorgehen nicht korrekt war und eine Korrektur erfolgt ist. Seit Beginn der Pandemie steht das Bildungsministerium im Austausch mit verschiedenen Expertinnen und Experten aus dem medizinischen Bereich und trifft die Entscheidungen auf der Grundlage dieser Expertise. Deshalb fanden in Rheinland-Pfalz bereits mehrfach Expertenanhörungen statt und wir danken an dieser Stelle allen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die sich immer wieder die Zeit nehmen, die Sachverhalte darzustellen. Neben dem Landeselternbeirat haben wir entsprechende Expertenrunden in der Vergangenheit auch mit Personalvertreterinnen und -vertretern sowie der Presse ermöglicht, um Transparenz und Vertrauen zu schaffen. Auch die Veranstaltung am Montag wurde in einem großen Rahmen (Landeselternbeirat, Personalvertretungen sowie Landesschüler*innenvertretung) durchgeführt und ebenfalls aufgezeichnet. Heute haben die Ministerin und der Staatssekretär deshalb auch Kontakt mit den Expertinnen und Experten aufgenommen und angeboten, dass alle noch einmal Stellung beziehen können. Von diesem Angebot Gebrauch gemacht haben:
Dr. Jana Schroeder, Chefärztin des Instituts für Krankenhaushygiene und Mikrobiologie der Stiftung Mathias-Spital in Rheine, erklärte: „In der Zusammenschau und Bewertung aller vorliegenden Daten zur Infektiosität von Kindern kann man nicht schließen, dass diese keine Rolle im Infektionsgeschehen haben. In der Pandemie gibt es führende Wissenschaftliche Institutionen, die unter anderem genau für den Fall einer Pandemie eingerichtet wurden, um Empfehlungen und Vorgaben zu Verhalten zu erarbeiten. Die Krankenhäuser vertrauen auf diese und stehen in der Pflicht, die Vorgaben des RKI umzusetzen - warum dies nicht für die restliche Bevölkerung, bzw. für andere Institutionen gelten soll, erschließt sich mir nicht. Wir sehen, dass die Anzahl der Neuinfektionen trotz veränderter Teststrategie und dem aktuellen ‚Lockdown‘ nicht adäquat sinken und wir sehen auch, dass es auch in Schulen zu Übertragungen, zu Superspreader-Events kommen kann. Selbst wenn das Infektionsgeschehen an Grundschulen geringer sein sollte als in der Restbevölkerung, kann auch dies keine Argumentation für weniger Schutzmaßnahmen sein – die Anschnallpflicht gilt auch schon bei Tempo 30 und nicht erst bei 100 km/h.“
Professor Dr. Wieland Kieß, Direktor der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin am Universitätsklinikum Leipzig, erläuterte die Ergebnisse seiner Studie an sächsischen Schulen: „In unserer Schüler-Lehrerstudie in Sachsen war die Häufigkeit der Covid19-Infektion bei Schulkindern nicht höher als bei Erwachsenen sondern reflektiert nur die Häufigkeit der Infektion in der Gesamtbevölkerung. Außerdem haben wir Hinweise dafür, dass nicht Schüler eine Hauptansteckungsquelle für Erwachsene sind, sondern in der Regel Schulkinder und Jugendliche in Ihrem privaten Umfeld angesteckt werden.“
Dr. Wolfgang Kohnen, Stellvertretender Abteilungsleiter im Bereich Krankenhaushygiene an der Universitätsmedizin Mainz, betonte: „Zu den wichtigsten Maßnahmen für das Gelingen von Schule während der Corona-Pandemie zählt das Einhalten der Hygieneregeln gemäß den Vorgaben des Hygieneplans. Dazu gehört neben den organisatorischen Maßnahmen auch das Tragen der Maske und das regelmäßige Lüften. Die Zahlen aus Rheinland-Pfalz belegen, dass die Schulen das gut umsetzen. Das Infektionsgeschehen ist allerdings sehr dynamisch, deshalb wird die Lage an den rheinland-pfälzischen Schulen jede Woche neu von den Experten des Landes bewertet und die Hygienemaßnahmen daraufhin gegebenenfalls angepasst.“
Herr Professor Dr. Markus Scholz vom Institut für Medizinische Informatik, Statistik und Epidemiologie an der Universität Leipzig: „Im Vergleich zur ersten Welle im Frühjahr sehen wir in der zweiten einen deutlichen, qualitativen Unterschied nämlich, dass die Altersgruppe 0-15 jetzt wesentlich stärker betroffen ist. Auch unter Berücksichtigung geänderter Teststrategien lässt dies auf ein verstärktes Infektionsgeschehen im Schul- bzw. Kitakontext schließen. Es wurden zudem bereits Hunderte von Ausbrüchen an Schulen gemeldet, teilweise auch mit beträchtlichen Clustergrößen, wie z.B. in Sachsen. Es ist zu befürchten, dass wir dabei nur die Spitze des Eisbergs sehen, da Gruppen nicht mehr überall konsequent getestet werden – selbst bei Kategorie 1 Kontakten. Wenn zum Beispiel in Klassen mit einem Indexfall nur quarantänisiert aber nicht weiter getestet wird, erscheint dies in den Statistiken dann fälschlicherweise als „Beleg“ für eine Nichtübertragung innerhalb der Klasse. Dies führt zu einer Verzerrung der Datenlage mit möglichen Fehleinschätzungen der tatsächlichen Problematik.
Aktuell liegen in Deutschland nur einige wenige wissenschaftliche Studien zum Infektionsgeschehen an Schulen vor, die vor allem auf Daten der Niedriginzidenzphase beruhen und sich damit nicht einfach auf die aktuelle Situation verallgemeinern lassen. Wir brauchen deshalb dringend Studien, die das Infektionsgeschehen in Schulen und Kitas besser überwachen. Bei Indexfällen sollte die Kontaktgruppe stets konsequent getestet und die Ergebnisse für wissenschaftliche Auswertungen zugänglich gemacht werden, um das Geschehen besser einschätzen und die Wirksamkeit von Maßnahmen überprüfen zu können."
Professor Dr. Zanger vom rheinland-pfälzischen Landesuntersuchungsamt konnte von der Studie zur „Secondary Attack Rate in Schools Surveillance“ der Gesundheitsämter in Rheinland-Pfalz berichten. Hier zeige sich, dass die Ansteckungsgefahr in Kitas und Schulen vergleichsweise gering sei. Nach aktuellen Daten liege sie bei 0,97 Prozent: „Vergleicht man die Übertragungssituation für die Kinder zu Hause mit der in der Schule oder Kita zeigt die Erfahrung von 232 Fällen und 8.371 Kontaktpersonen, dass sich trotz beengter Verhältnisse in den Klassenräumen bei Auftreten eines COVID-Falles nur eines von hundert Kindern im direkten Umfeld ansteckt. Innerhalb der Familie ist eine Übertragung zwanzigmal wahrscheinlicher und betrifft jedes fünfte bis sechste Familienmitglied.“
Im zweiten Teil der Veranstaltung ging es um die Lüftungskonzepte und Lüftungsanlagen.
Dazu Professor Dr. Kähler vom Institut für Strömungsmechanik und Aerodynamik an der Bundeswehr Universität München: „Das von uns empfohlene Schutzkonzept verhindert direkte Infektionen zwischen benachbarten Kindern durch transparente Schutzwände mit umlaufender Kante und minimiert das indirekte Infektionsrisiko mit mobilen Raumluftreinigern, die das 6-fache des Raumvolumens pro Stunde filtern und einen Filter der Klasse H13 oder H14 nutzen. Das Konzept erfreut sich in Deutschland immer größerer Beliebtheit. Laut Aussage einer Schulleiterin stören die Raumluftreiniger überhaupt nicht und die Kinder lieben die Schutzwände. Wer behauptet, dass kurzzeitiges Stoßlüften über 99% der Viren entfernt, ohne dass die Temperatur massiv sinkt, widerspricht der Literatur und der Physik. Wer behauptet, dass die freie Lüftung gemäß Umweltbundesamt reicht, verkennt, dass sie selbst theoretisch nur 3 Luftwechsel pro Stunde schafft und praktisch viel weniger. Das sorgt nicht für Sicherheit vor einer indirekten Infektion. Mobile Raumluftreinger hingegen schaffen leicht 6 Luftwechsel pro Stunde, ohne dass es kalt wird und Energie verschwendet wird.“
Professor Dr. Seipp, Leiter des TransMIT-Zentrums „Hygiene und Technisches Gesundheitswesen“ der Technischen Hochschule Mittelhessen, erklärte: „Grundlegende Anforderungen für den Unterricht ist eine ausreichende Sauerstoffversorgung und CO2-Entfernung, die ausschließlich über (Fenster-) Lüftung nach 20 Minuten sichergestellt werden kann und bei kälteren Außentemperaturen eine jeweils höhere Wirkung erzielt. Um eine Auskühlung des Baukörpers zu unterbinden ist diese als Temperatur-entsprechende kurze Stoßlüftung (manuell oder unterstützt durch einen Abluftventilator) sinnvoll. Damit werden insbesondere auch Infektionserreger so ausreichend entfernt, dass zusätzliche Luftfiltergeräte keinen belegbaren Vorteil erzielen – jedoch über den gesamten Schultag die Gesundheit beeinträchtigende Luft-Zugerscheinungen und Dauerschallpegel indizieren. Unterstellt man, dass Luftfiltergeräte eine Infektions-relevante Erregerzahl aus dem gesamten Klassenraum ansaugen, so wäre die Frage, welche Schüler im Umfeld der Filtergeräte sitzen müssen und dem kontinuierlich erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt werden sollten.“